Thema des Tages
18.04.2025
Gewitterprognose im Warndienst des DWD
Gewitterprognose im Warndienst des DWD
Wir schreiben Mitte April und die ersten kräftigen Gewitterzellen - deutschlandweit betrachtet - liegen bereits hinter uns. Als Beispiel sei die "Kasselzelle" am vergangenen Mittwoch genannt, die an der Station Schauenburg-Elgershausen knapp westlich von Kassel stolze 31 mm innerhalb einer Stunde abwarf. Dass es in den nächsten Wochen und Monaten noch weitere "Kracher" von diesem Format geben wird, die dann unter Umständen auch noch größeren Hagel und heftige Böen an Bord haben, ist so gut wie sicher.
Die Problematik bei der Vorhersage von Gewittern wurde auch an dieser Stelle schon mehrfach beschrieben (siehe zum Beispiel das Thema des Tages vom 12.08.2023) und wird sicherlich auch in Zukunft immer wieder Thema sein. Kurz zusammengefasst: Eine räumlich und zeitlich exakte Vorhersage eines Gewitters ist aus verschiedenen Gründen so gut wie unmöglich. Was dagegen meistens gut prognostizierbar ist, sind einerseits die Regionen, in denen das Potenzial für die Entstehung von Gewittern erhöht ist und andererseits die zu erwartenden Begleiterscheinungen.
Für die Abschätzung des Gewitterpotenzials steht dem Vorhersageteam des DWD unter anderem der sogenannte "Konvektionsfavorit" zur Verfügung. Dabei handelt es sich um eine Zusammenstellung mehrerer Prognosefelder, die die nötigen Zutaten für die Entwicklung von Gewittern beschreiben. Was für den Laien vielleicht nur nach vielen bunten Bildchen oder eventuell auch moderner Kunst aussieht, liefert den Meteorologen wichtige Informationen hinsichtlich der potentiellen Entstehung und Stärke der Gewitter. Aus diesem Grund hat der Konvektionsfavorit auch einen Stammplatz auf einem der zahlreichen Bildschirme am Arbeitsplatz.

Bevor wir kurz etwas genauer auf die einzelnen "Bildchen" eingehen, nochmal ganz kurz zu den Zutaten für ein Gewitter: Neben genügend Feuchtigkeit muss die Luftmasse auch eine labile Schichtung aufweisen, d.h. die Temperatur muss mit der Höhe stark abnehmen. Nun muss die energiegeladene Luftmasse noch gezündet werden, sprich man benötigt einen Mechanismus, der die Luft dazu veranlasst, aufzusteigen. Das kann zum Beispiel ein zu überströmendes Gebirge sein, bodennahe Überhitzung (Wärmegewitter), ein bodennah konvergentes Windfeld oder ein dynamischer Impuls aus höheren Luftschichten.

In der obigen Abbildung 2 ist auf der linken Seite einerseits ein Maß für die Feuchtigkeit der Luft in unteren Schichten zu sehen (Flächendarstellung) und andererseits die sogenannten PPW-Werte, also der Wassergehalt der gesamten Luftsäule, der als Niederschlag ausfallen kann (in l/qm, Zahlenwerte). Letzterer liefert einen Hinweis auf das Starkregenpotenzial. Rechts daneben geht es um die sogenannten Lapse Rates, also die Temperaturabnahme mit der Höhe, die besonders zwischen zwei und vier Kilometer Höhe ausgeprägt sein sollte. Rote Farben stehen für eine Abnahme von mindestens 0,6 Kelvin pro 100 m Höhe (instabil) und blaue Farben für eine geringere Abnahme und daher stabilere Verhältnisse. Die Kombination aus Feuchtigkeit und (In-)Stabilität mündet schließlich in der potentiell zur Verfügung stehenden Energie für die Gewitterentwicklung, dem sogenannten CAPE (rechts). Die Zahlenwerte geben das sogenannte CIN an, das konvektionshemmende Faktoren innerhalb der Luftschichtung angibt.

In Abbildung 3 steht die Windscherung im Fokus. Diese stellt - um im Küchensprech zu bleiben - das Gewürz dar und ist wichtig für die weitere Entwicklung eines Gewitters. Dabei unterscheidet man zwischen der Geschwindigkeits- und der Richtungsscherung. Die Geschwindigkeitsscherung (links) kann man wiederum in hochreichende Scherung (0-6 km Höhe, Fläche) und in die Scherung im untersten Kilometer (Low Level Scherung, Zahlen) aufsplitten. Während erstere für den Organisationsgrad und damit die Langlebigkeit und auch Schwere der Gewitter verantwortlich ist, liefert die Low Level Scherung Hinweise für ein mögliches Tornadopotenzial. Für letzteres sind auch die Felder rechts wichtig, die die Richtungsscherung, also die Drehung des Windes mit der Höhe, und die Höhe der Wolkenuntergrenze zeigt. Ist die Richtungsscherung hoch genug, können sich rotierende Gewitter, sogenannte Superzellen entwickeln, an denen sich bei niedriger Wolkenunterkante ein Tornado entwickeln könnte.

Die restlichen Bildchen (Abbildung 4) liefern Informationen zu potentiellen Hebungsmechanismen, die zum Beispiel aus den Strömungsverhältnissen in verschiedenen Höhenbereichen resultieren (links ca. 5,5 km, rechts davon ca. 9 km, Mitte bodennah). Das zweite Bild von rechts zeigt die Windstärke und -richtung in verschiedenen Höhenniveaus, woraus man konvergente Windstrukturen herausarbeiten kann und einen Überblick über eine mögliche Winddrehung mit der Höhe bekommt. Rechts ist dann noch die sogenannte Auslösetemperatur zu finden. Wird diese Temperatur erreicht, beginnt die Luft von selbst, aufzusteigen. Dazu gesellt sich eine Niederschlagsprognose, die neben der Menge (Fläche) auch die Art des Niederschlags (Symbole) angibt.
Durch diese Fülle an Informationen bekommt man also schon mal einen ersten Eindruck darüber, in welchen Regionen das Gewitterpotenzial erhöht ist, welche Begleiterscheinungen erwartet werden können und wo wahrscheinlich keine Gewitter auftreten werden. Doch für eine finale Aussage braucht es noch etwas mehr. Wichtig ist zum Beispiel noch die Sichtung von sogenannten Prognoseaufstiegen, die die vertikale Temperatur- und Feuchteverteilung zeigen. Und dann gibt es natürlich noch weitere Vorhersagemodelle, die manchmal eine völlig andere Idee hinsichtlich der Gewitterlage haben als das, das dem Konvektionsfavoriten zugrunde liegt (ICON).
Vielleicht haben Sie gesehen, dass sich die betrachteten Felder auf den Ostersonntag beziehen (17 Uhr MESZ). Wie sieht’s denn also aus in Sachen Gewitter? Aktuell ist das Gewitterpotenzial für den Sonntagnachmittag von der Mitte bis zu den Alpen etwas erhöht. Während dabei im Westen eher der Starkregen als Begleiterscheinung im Fokus steht (geringe Verlagerungsgeschwindigkeit, erhöhte PPW-Werte), sollte man im Süden/Südosten den Wind im Blick haben aufgrund erhöhter Scherungswerte und relativ trockener Grundschicht (hohe Wolkenuntergrenze).
Mit Blick auf andere Modelle gibt es im Detail aber durchaus noch gewisse Unsicherheiten. Nur eines ist ziemlich sicher: Langweilig wird es bei der Gewittervorhersage nicht!
Dipl.-Met. Tobias Reinartz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 18.04.2025 Copyright (c) Deutscher Wetterdienst
Die Problematik bei der Vorhersage von Gewittern wurde auch an dieser Stelle schon mehrfach beschrieben (siehe zum Beispiel das Thema des Tages vom 12.08.2023) und wird sicherlich auch in Zukunft immer wieder Thema sein. Kurz zusammengefasst: Eine räumlich und zeitlich exakte Vorhersage eines Gewitters ist aus verschiedenen Gründen so gut wie unmöglich. Was dagegen meistens gut prognostizierbar ist, sind einerseits die Regionen, in denen das Potenzial für die Entstehung von Gewittern erhöht ist und andererseits die zu erwartenden Begleiterscheinungen.
Für die Abschätzung des Gewitterpotenzials steht dem Vorhersageteam des DWD unter anderem der sogenannte "Konvektionsfavorit" zur Verfügung. Dabei handelt es sich um eine Zusammenstellung mehrerer Prognosefelder, die die nötigen Zutaten für die Entwicklung von Gewittern beschreiben. Was für den Laien vielleicht nur nach vielen bunten Bildchen oder eventuell auch moderner Kunst aussieht, liefert den Meteorologen wichtige Informationen hinsichtlich der potentiellen Entstehung und Stärke der Gewitter. Aus diesem Grund hat der Konvektionsfavorit auch einen Stammplatz auf einem der zahlreichen Bildschirme am Arbeitsplatz.

Bevor wir kurz etwas genauer auf die einzelnen "Bildchen" eingehen, nochmal ganz kurz zu den Zutaten für ein Gewitter: Neben genügend Feuchtigkeit muss die Luftmasse auch eine labile Schichtung aufweisen, d.h. die Temperatur muss mit der Höhe stark abnehmen. Nun muss die energiegeladene Luftmasse noch gezündet werden, sprich man benötigt einen Mechanismus, der die Luft dazu veranlasst, aufzusteigen. Das kann zum Beispiel ein zu überströmendes Gebirge sein, bodennahe Überhitzung (Wärmegewitter), ein bodennah konvergentes Windfeld oder ein dynamischer Impuls aus höheren Luftschichten.

In der obigen Abbildung 2 ist auf der linken Seite einerseits ein Maß für die Feuchtigkeit der Luft in unteren Schichten zu sehen (Flächendarstellung) und andererseits die sogenannten PPW-Werte, also der Wassergehalt der gesamten Luftsäule, der als Niederschlag ausfallen kann (in l/qm, Zahlenwerte). Letzterer liefert einen Hinweis auf das Starkregenpotenzial. Rechts daneben geht es um die sogenannten Lapse Rates, also die Temperaturabnahme mit der Höhe, die besonders zwischen zwei und vier Kilometer Höhe ausgeprägt sein sollte. Rote Farben stehen für eine Abnahme von mindestens 0,6 Kelvin pro 100 m Höhe (instabil) und blaue Farben für eine geringere Abnahme und daher stabilere Verhältnisse. Die Kombination aus Feuchtigkeit und (In-)Stabilität mündet schließlich in der potentiell zur Verfügung stehenden Energie für die Gewitterentwicklung, dem sogenannten CAPE (rechts). Die Zahlenwerte geben das sogenannte CIN an, das konvektionshemmende Faktoren innerhalb der Luftschichtung angibt.

In Abbildung 3 steht die Windscherung im Fokus. Diese stellt - um im Küchensprech zu bleiben - das Gewürz dar und ist wichtig für die weitere Entwicklung eines Gewitters. Dabei unterscheidet man zwischen der Geschwindigkeits- und der Richtungsscherung. Die Geschwindigkeitsscherung (links) kann man wiederum in hochreichende Scherung (0-6 km Höhe, Fläche) und in die Scherung im untersten Kilometer (Low Level Scherung, Zahlen) aufsplitten. Während erstere für den Organisationsgrad und damit die Langlebigkeit und auch Schwere der Gewitter verantwortlich ist, liefert die Low Level Scherung Hinweise für ein mögliches Tornadopotenzial. Für letzteres sind auch die Felder rechts wichtig, die die Richtungsscherung, also die Drehung des Windes mit der Höhe, und die Höhe der Wolkenuntergrenze zeigt. Ist die Richtungsscherung hoch genug, können sich rotierende Gewitter, sogenannte Superzellen entwickeln, an denen sich bei niedriger Wolkenunterkante ein Tornado entwickeln könnte.

Die restlichen Bildchen (Abbildung 4) liefern Informationen zu potentiellen Hebungsmechanismen, die zum Beispiel aus den Strömungsverhältnissen in verschiedenen Höhenbereichen resultieren (links ca. 5,5 km, rechts davon ca. 9 km, Mitte bodennah). Das zweite Bild von rechts zeigt die Windstärke und -richtung in verschiedenen Höhenniveaus, woraus man konvergente Windstrukturen herausarbeiten kann und einen Überblick über eine mögliche Winddrehung mit der Höhe bekommt. Rechts ist dann noch die sogenannte Auslösetemperatur zu finden. Wird diese Temperatur erreicht, beginnt die Luft von selbst, aufzusteigen. Dazu gesellt sich eine Niederschlagsprognose, die neben der Menge (Fläche) auch die Art des Niederschlags (Symbole) angibt.
Durch diese Fülle an Informationen bekommt man also schon mal einen ersten Eindruck darüber, in welchen Regionen das Gewitterpotenzial erhöht ist, welche Begleiterscheinungen erwartet werden können und wo wahrscheinlich keine Gewitter auftreten werden. Doch für eine finale Aussage braucht es noch etwas mehr. Wichtig ist zum Beispiel noch die Sichtung von sogenannten Prognoseaufstiegen, die die vertikale Temperatur- und Feuchteverteilung zeigen. Und dann gibt es natürlich noch weitere Vorhersagemodelle, die manchmal eine völlig andere Idee hinsichtlich der Gewitterlage haben als das, das dem Konvektionsfavoriten zugrunde liegt (ICON).
Vielleicht haben Sie gesehen, dass sich die betrachteten Felder auf den Ostersonntag beziehen (17 Uhr MESZ). Wie sieht’s denn also aus in Sachen Gewitter? Aktuell ist das Gewitterpotenzial für den Sonntagnachmittag von der Mitte bis zu den Alpen etwas erhöht. Während dabei im Westen eher der Starkregen als Begleiterscheinung im Fokus steht (geringe Verlagerungsgeschwindigkeit, erhöhte PPW-Werte), sollte man im Süden/Südosten den Wind im Blick haben aufgrund erhöhter Scherungswerte und relativ trockener Grundschicht (hohe Wolkenuntergrenze).
Mit Blick auf andere Modelle gibt es im Detail aber durchaus noch gewisse Unsicherheiten. Nur eines ist ziemlich sicher: Langweilig wird es bei der Gewittervorhersage nicht!
Dipl.-Met. Tobias Reinartz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 18.04.2025 Copyright (c) Deutscher Wetterdienst
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