Thema des Tages
Arktische Meereisbedeckung durchschreitet sommerlichen Tiefstand
In den letzten Wochen war deutlich wahrnehmbar, dass die Tageslänge rasant abnahm. Am kommenden Sonntag, dem 22. September, ist Tag-und-Nacht-Gleiche. Danach haben die Nächte ein halbes Jahr die Oberhand und fallen länger aus als die Tage. Mit der abnehmenden Sonneneinstrahlung und sinkenden Lufttemperaturen verlangsamte sich seit August auch das jahreszeitliche Tempo des Meereisverlustes in der Arktis. Die Rückzugsgeschwindigkeit lag dabei mit 62.000 Quadratkilometer pro Tag leicht über dem vieljährigen Mittel 1981 bis 2010. Ende August betrug die arktische Meereisausdehnung insgesamt 4,51 Millionen Quadratkilometer. Dieser Wert entspricht dem viertniedrigsten Wert für diese Jahreszeit seit Beginn der kontinuierlichen Satellitenmessungen im Jahr 1979.
Entscheidend für den manchmal auch asymmetrischen Meereisverlust sind die atmosphärischen Bedingungen. Die Lufttemperaturen auf der 925 hPa-Ebene (ca. 700 m über der Oberfläche) lagen im August vom zentralen Arktischen Ozean bis zum Beringmeer bis zu 3 Grad Celsius unter dem vieljährigen Durchschnitt. Im Gegensatz dazu herrschten ungewöhnlich warme Bedingungen über der Barentssee und dem kanadischen Archipel vor. Die Temperaturanomalie bewegte sich hier durchweg zwischen 3 bis 6 Grad Celsius über dem vieljährigen Durchschnitt (Abbildung 1).
Diese positive Temperaturanomalie ließ sich ursächlich auf eine Druckkonstellation mit niedrigem Luftdruck über dem zentralen Arktischen Ozean und einem separaten Tief östlich von Grönland - einem starken Islandtief - zurückführen. Zwischen dem Islandtief und dem weiter östlich gelegenen Hochdruckrücken, der sich von Skandinavien aus in die Kara- und Tschuktschensee erstreckte, wurde mit südlichen Winden die ungewöhnliche Wärme in die Barentssee geführt (Abbildung 2).
In den ersten Septembertagen setzte sich das Schmelzen noch fort. Das saisonale Minimum wurde vor knapp zwei Wochen am 07. September mit einer Meereisbedeckung von 4,39 Millionen Quadratkilometern durchschritten (siehe Abbildung 3 und 4). Das diesjährige Meereisminimum liegt dabei unter dem Niveau vieler Jahre zuvor und ist der neuntniedrigste Wert in der fast 45-jährigen Geschichte der Satellitenbeobachtungen. Abgesehen von den Längengraden entlang des kanadischen arktischen Archipels und Grönlands, wo das Eis fast immer bis an die Küste reicht, hat sich die Eiskante überall polwärts von ihrer durchschnittlichen Position zurückgezogen. So lässt sich konstatieren, dass sowohl die nördliche als auch die südliche Nordwestpassage weitgehend eisfrei waren, ebenso wie der Nördliche Seeweg (Abbildung 4).
Neben der Eiskonzentration, der Eisausdehnung und der Eisdicke ist das Eisalter ein wichtiger Indikator für die Charakterisierung von Meereis. In der Regel ist älteres Eis dicker, da in mehreren aufeinanderfolgenden Wintern immer mehr Eis an der Unterseite anfriert. Außerdem wird das Eis dicker, wenn Eisschollen zusammen- oder gegen die Küsten gedrückt und dadurch in Eisrücken oder auf den Schelfen aufgestapelt werden. Mit einjährigem Eis ist hierbei das Eis gemeint, das erst nach dem letzten Sommer, also seit September des vorhergehenden Jahres, gebildet wurde und die erste darauffolgende Sommerschmelze überdauert. Die Verbreitung von einjährigem Eis ist von etwa 35-40 Prozent der gesamten Eisdecke des Arktischen Ozeans seit Mitte der 1980er Jahre auf etwa 70 Prozent angestiegen, während der Anteil von mehrjährigem Eis entsprechend gesunken ist.
Zum Schluss noch eine kleine Reise vom Nord- zum Südpol. Dort erreichte die antarktische Meereisbedeckung um den 11. September ihr saisonales Maximum mit 17,34 Millionen Quadratkilometer (Abbildung 5). Das Wachstum bis August ereignete sich zuvor in Schüben. Nachdem Ende Juli fast das Niveau von 2023 erreicht worden war, verlief das Wachstum in der ersten Augusthälfte viel schneller als im Durchschnitt. Danach kam das Eiswachstum jedoch weitgehend zum Stillstand, bevor gegen Ende des Monats ein schnellerer Anstieg einsetzte. Besonders gering ist die Meereisausdehnung nach wie vor im östlichen Weddellmeer, im südwestlichen Indischen Ozean und im Amundsensee, und sie liegt überall leicht unter dem Durchschnitt, außer im nordwestlichen Weddellmeer.
M.Sc. (Meteorologe) Sebastian Altnau
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 19.09.2024 Copyright (c) Deutscher Wetterdienst